Ok, ok, ok!

Es ist schon erstaunlich wie manche Sprachmarotten aufkommen, sich verbreiten und wie lange sie sich halten oder gar zum neuen Standard werden. Noch interessanter ist es zu beobachten, wie unterschiedlich die Menschen darauf reagieren. Während die einen und ihr Wortschatz förmlich darauf warten, die Marotte wie ein Schwamm aufzusaugen, kann die Inkubationszeit bei anderen mehrere Monate, in manchen Fällen sogar bis hin zu ein, zwei Jahren betragen, und einige sind offenbar auch immun.
Nicht alle Marotten sind unschön, Sprachen entwickeln sich einfach weiter. Allein das Wort Marotte ist schon eine solche sprachliche Absonderlichkeit, die aus dem Französischen stammt und vom 17. bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch als Mädchenname üblich war. Also nehmen wir lieber die Schrulle, die war wohl bisher nicht als Taufname in Gebrauch, den Tick, die Macke oder den Fimmel.

Besonders groß scheint beispielsweise die Sprachschrullansteckungsgefahr bei Reportern zu sein. Ein Sportreporter suchte einst im Eifer des zu kommentierenden Gefechts nach dem rechten Ausdruck für die mentale Schwäche des unterlegenen Sportlers und heraus kam plötzlich: „Er zeigte Nerven“. – Wie bitte? Waren nicht Nerven immer ein Sinnbild für Stärke? „Nerven wie Drahtseile“, „Der traut sich was, der hat Nerven“. Und Schwäche zeigen heißt dagegen doch: „Die Nerven verlieren“. Aber anstatt darüber geschwind hinwegzugehen, passten sich (Sport-) Reporter scharenweise diesem niedrigen Nenner an. Offenbar ging von dieser Ausdrucksschwäche eine gewisse Verdrängungsstärke aus. Die „schwachen Nerven“ mündeten in den synonymus weglassus, ins schlichte Gegenteil und ins bloße „Nerven“.

Auch dem altehrwürdigen Wort „Scheibe“ ist wunderliches widerfahren und das kann nicht allein auf seine Salonunfähigkeit geschoben werden. Denn auch landläufig bedurfte es lange des Präfix be- um das Verb zu veradjektivieren. Die saubere Passivform „beschibben“ erlaubte der Sache und dem Feststellenden eine gewisse Distanz. Ähnlich war es bei der Umschreibung der Situation insgesamt, etwa mit „So eine Scheibe“ oder gar „schöne Scheibe“.
Das ist lange vorbei, denn inzwischen wurde aus der distanzierten Passivhaltung ein wahrer Aktivfimmel. Mittlerweile ist alles direkt „scheibe“, ohne Passiv und gänzlich desubstantiviert. Ein echtes gradliniges Adjektiv war geboren und es dauerte gar nicht lang, da erhielt es Einzug in die hohe Dichtkunst und wurde im Kinderspiel zum großen Hit.

Unglaublich lang hält sich inzwischen auch schon die Zweitnutzung des „ok“. Obwohl eigentlich kein Mensch weiß, was die ubiquitäre Sprachmacke schlechthin, dieses „ok“, ursprünglich bedeutet, ist es dennoch der meistverwendete Ausdruck der Welt (vgl. z.B. SZ 13.2.11).

Neben der bisherigen Verwendung als verweltlichte Form des deutschen i.O. erfährt es nun seit wenigen Jahren eine sehr seltsame Zweitverschrullung, ein Comeback sozusagen in Form von „Okeeeh“. Und die Interpretation der jeweiligen Verwendung ist durchaus nicht ganz einfach. Sie variiert so ungefähr von:

„Hm.“, „Mhm.“, „Ja.“, „Jaja.“, Ja!“, „Verstehe!“, „Aha!“, „Ach nee!“, „Ach was!“ über „Tatsächlich?“, „Wirklich?, „Meinst du?“, „Im Ernst?“, bis hin zu „Nicht Dein Ernst!“, „Oha!“, „Meine Güte!“, „Kann nicht sein!“, „Oh Gott!“ oder „Zum Teufel!“.

Bei der Interpretation kann die Länge der Dehnung oder ihre Melodie im „eeeh“ eine Hilfestellung geben, muss aber nicht. Problem ist weiterhin, das alte „ok“ ist nie abgetreten. Dieses Nebeneinander schafft zusätzliche Verwirrung, die aber offenbar viele nicht bemerken, was auch daran liegen mag, dass ja eh schon keiner wusste, was das alte „ok“ bedeutete.

Ganz besonders hübsch anzuhören ist ein „okeeeh“, wenn es ein öffentlicher Handytelefonierer stoisch wiederholt, am besten möglichst lautstark. Was gemeint ist weiß keiner. Der Erzählende am anderen Ende der Verbindung nicht. Den lenkt es höchstens ab, wenn er von seinem Zuhörer an unregelmäßig passenden Stellen einen „okeeeh“-Zwangsabsatz verordnet bekommt. Und der bemüht zuhörend Okeeehende selbst auch nicht. Der kann regelmäßig nicht mal auf Rückfrage erklären was er gerade mit „okeeeh“ meinte oder ob er mit dem „okeeeh“-Tick bloß sich selbst immer wieder wachrütteln möchte. Jedenfalls steckt nicht viel mehr dahinter, als wenn es früher stets „jah“ hieß oder „mhm“, nur dass für letzteres nicht mal der Mund geöffnet werden musste. Das war entspannt und dezent zugleich.
Ebenso wie auch hinter dem jüngeren Nachdenkpausen-„genau“ einiger Erzähler nicht viel mehr steckt, als hinter dem älteren „ähh“.
Wer sich nicht sicher ist, dass der Zuhörer ihm mit dem „okeeeh“ nichts aber auch rein gar nichts mitteilen möchte, der baue einfach mal einen kleinen Kontrollsatz ein wie:

–  „… und gestern ist ganz unerwartet mein Chef gestorben, deswegen bin ich ab heut arbeitslos …“
–  „Okeeeh(., ?, !)“

Also, wenn der Gegenüber die Finte tatsächlich mitbekommen sollte, dann gibt er für eine Weile erst mal Ruhe. Vielleicht rutscht ihm auch das Ohh noch raus, während er sich am kee verschluckt. Das wäre dann auch echt mal ok!
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