Plattschuss aktuell: Rauchzeichen

Aus noch aktuellem Anlass, gerade für Kurzentschlossenschenker brisant:

Warnhinweis

Der Verlag Knaur bietet ein Buch von Oliver Kuhn an, das den Titel trägt: „Endlich Raucher! [100 gute Gründe (wieder) zu rauchen.]“
Dabei ist die Aufmachung einer Zigarettenschachtel nachempfunden, mit dem ersten Teil des Titels als Marke und der Beititel ist optisch als Warnhinweis ergänzt.

Die reißerische Aufmachung dieses Büchleins verlangt eine entsprechend strenge Prüfung seines Anliegens, denn es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, ob es ernst oder ironisch gemeint ist. Auch der Umschlagtext lässt den Leser im Ungewissen, zumindest ist kein Hinweis auf Ironie ersichtlich (allerdings wäre das der Ironie auch nicht unbedingt zuträglich).

Analyse:
Im Wesentlichen gibt es vier Möglichkeiten der Intention des Autors:

  1. Für die Raucher in diesen rauheren Zeiten eine Lanze brechen.
  2. Eine Nichtraucherfibel durch die Hintertür.
  3. Einen humoristischen Umgang mit dem oft stimmungserhärtenden Thema anschieben.
  4. Auf der Welle mitschwimmen und mit wenig Aufwand Kohle machen, solange das Thema es hergibt.

Mit den im Büchlein recht beliebig zusammengerafften Fakten und Betrachtungen zum Thema Rauchen schafft der Autor keine konkrete Aussage oder neue Sichtweise.
Stattdessen sind die gesammelten Informationen immer aus zwei Sichten interpretierbar, nämlich unmittelbar oder im Gegenschluss, also eventuell auch ironisch.
Nun sind die Schlüsse aus den gebotenen Informationen meist weder von unmittelbarem Wert, noch sind sie geeignet, einen Umkehrschluss zuzulassen, der eine Grundlage für Ironie darstellen könnte.
Beispielsweise ist die Information, die markig bereits auf dem Umschlagtext genannt wird: „Alle Nichtraucher sterben!“, eine Information von geringem Neuwert. Sie wird auch im Gegenschluss nicht reicher, denn alle Raucher sterben auch. Aber nicht weil sie Rauchen, sondern weil, wie wir alle wissen, einfach alle sterben, unabhängig davon ob sie Rauchen oder nicht. Und ohne geeignetes Differenzierungsmoment, entsteht im Umkehrschluss keine Doppeldeutigkeit und auch keine Ironie.
Als weiteres Beispiel sei der scheinbare Appell angeführt, der dazu aufruft, mehr zu rauchen, um den Tabakbauernfamilien in Schwellenländern ihr Auskommen zu sichern. Allein 100 Personen, die das Rauchen aufgäben, könnten einer solchen Familie die Existenz zerstören, die Kinder könnten nicht mehr zur Schule gehen etc.
Auch das ist nicht lustig. Wer ein ganz ein bisschen weiterdenkt und wem das Wohlergehen solcher Familien am Herzen liegt, der sollte vielleicht nicht nur den minimalen Lohnanteil bei Rauchwaren spenden, sondern lieber gleich die ganze Summe, die er ansonsten verraucht. Insbesondere bei einem Produkt, dessen Kaufpreis über 70% Steuern enthält. Der Umkehrschluss zeigt also, dass der Raucher eher ein alter Geizkragen ist, wenn es um das Unterstützen Bedürftiger durch Rauchen geht.
Mit solchen Kurzschlüssen möchte der Autor doch nicht ernsthaft die Intelligenz der Raucher beleidigen?
Über solche Informationen und Statistiken hinaus, gibt es noch Auflistungen wie Zigarettenmarken und ihre Rauchertypen und ähnliches auf Boulevardjournalismusniveau.

Ergebnis:
Zu 1.: Da Raucher von den Informationen bzw. ihren Gegenschlüssen, die zumeist als ironische Umkehrschlüsse nicht taugen, eher verhonepiepelt werden, ist ein Lanzenbruch gänzlich außer Reichweite.

Zu 2.: Als Folge von 1. könnten Raucher die Lust verlieren, aber wohl eher an der Lektüre, denn am Rauchen.

Zu 3.: Zur Vermittlung schiebt das Büchlein wohl kaum an, eher bringt es beide Lager gegen sich auf.

Zu 4.: Das Thema ist in aller Munde, der Zeitpunkt gut gewählt. Der Autor ist sich auch nicht zuschade, den Titel seines Buchs (spöttisch) an den wohl bekanntesten (aber ernstgemeinten) Titel zur Thematik „Nichtrauchen“ anzulehnen und damit in dessen Fahrwasser mitzuschnorcheln. Mit der plakativen Aufmachung, der provokanten Hauptaussage und dem Spiel mit „verbotenem“ oder wenigstens anrüchigem, werden schließlich alle Mittel genutzt, die ein Produkt unabhängig von seinem Inhalt interessant machen. Dieser Opportunismus muss dem Autor schlicht unterstellt werden.

Fazit:
Das Buch, das aufgrund seines geringen inhaltlichen Nutzwertes wohl auf den Geschenkmarkt abzielt, dort wo die Geste, der Umschlag und seine plakative Wirkung eher entscheidet, als sein Inhalt, ist seinen Preis nicht wert und normalerweise auch die Zeit es zu lesen nicht. Der Autor dieser Zeilen, hat die Herausforderung sportlich genommen und den quantitativ überschaubaren Inhalt in kurzer Zeit erfasst. Für reinen Zeitvertreib taugt das Werk also in jeder Hinsicht nur sehr bedingt.

Empfehlung:
Zum Anfixen: Ungeeignet!
Zum Eigenbedarf: Straffrei auf Bewährung!
Zum Verschenken: Gefährlich da verprellend!

Schließlich: Kaufen unterstützt Buchmissbrauch und Verlagskartelle!
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